Temu Shopping App: Das dunkle Geheimnis

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Erfahrung mit der Shopping-App Temu

Torben Platzer ist kürzlich auf die neue Shopping-App Temu gestoßen, die als die neueste Nummer eins unter den Shopping-Apps gehandelt wird. Nicht nur wurde die App innerhalb kürzester Zeit enorm beliebt und hat sogar die offizielle ChatGPT App in App Stores überholt, sondern sie wirbt auch mit unschlagbaren Versandbedingungen und Preisen. Doch was steckt wirklich dahinter?

In den sozialen Medien wird Temu als neues Wish oder Shein gehandelt. Vorbei am Temu kommt man außerdem auch nicht. Die Werbetrommel wird gerührt wie nichts anderes. Unzählige Werbungen über alle möglichen Social Media Plattformen sorgen dafür, dass selbst Nutzer, die wenig auf YouTube und Co. unterwegs sind, geradezu geflutet werden. Und wer sich denkt, man schaltet einfach einen Ad-Blocker an und hat seine Ruhe, irrt sich. Es werden nicht nur zahlreiche Werbe-Ads ausgespielt, sondern unzählige Creator bezahlt, um Videos zu machen. Außerdem wird immer wieder mal behauptet, es gäbe bei Temu einen “Money Glitch”, also eine Methode um Geld zu verdienen, was quasi aus dem nichts heraus erschaffen wird.

Temu wird im September 2022 in den USA veröffentlicht. Der Sprung nach Europa ließ nicht lange auf sich warten und im April 2023 kam die App nach Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, die Niederlande und das Vereinigte Königreich. Beim genaueren Hinsehen zeigt sich, dass Temu ein Teil der PDD Holding ist mit Sitz in Shanghai. Die Produktpalette ist dabei vergleichbar mit der von AliExpress und doch hat Temu zwei Vorteile gegenüber vergleichbarer Konkurrenz.

Denn sowohl die Versandkosten, als auch die Versandzeit sind deutlich besser und konsumentenfreundlicher. Während Kunden bei anderen Plattformen teils bis zu 2 Monaten auf ihre Lieferung warten, wirbt Temu mit einer Lieferung innerhalb von 7 bis 15 Tagen. Sollte das Paket doch später ankommen, erhält der Kunde einen 5 Euro Gutschein. Außerdem ist die Lieferung kostenlos. Zumindest gab es in Torbens Experiments jeden Tag einen Timer, der sich zurückgesetzt hat und es ihm ermöglichte, versandkostenfrei zu bestellen.

Die dunkle Vergangenheit

Temu ist nicht die einzige Plattform, die von der PDD Holding betrieben wird. Auch das E-Commerce-Unternehmen Pinduoduo gehört dazu. Und das Mutterunternehmen sorgte mit dieser für Furore. Allerdings nicht im positiven Sinne.

Der Slogan von Pinduoduo lautet “Together, More Savings, More Fun” (Gemeinsam, mehr sparen, mehr Spaß). Und zwischen den Jahren 2015 und 2018 wurde bei Pinduoduo ein Logistik-Algorithmus entwickelt, der es, ähnlich wie bei Amazon, ermöglicht. die bestellten Waren innerhalb kürzester Zeit zu liefern. Sämtliche Produkte bei Pinduoduo werden direkt aus der Fabrik verkauft, in welcher sie produziert werden. Zwischenhändler gibt es dabei nicht. Damit dieses Konzept funktioniert, wurde innerhalb Chinas ein riesiges Netzwerk aufgebaut und für die Produktionen massenhaft unterbezahlte Arbeitskräfte eingestellt.

Die Arbeitsbedingungen waren derart miserabel, dass es neben extremen Überarbeitungen leider sogar zu Todesfällen unter den Mitarbeitern kam, was letztlich zu Ermittlungen führte. Bei den Ermittlungen stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter nach dem Modell 9-9-6 arbeiten. Was bedeutet, dass sie von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends, 6 Tage die Woche, arbeiten. Die Holding hat anfangs versucht alles zu leugnen und später sogar Greenwashing-Kampagnen gestartet, in der Hoffnung, das Image positiv zu ändern. Als auch das scheiterte, wurde Temu gegründet.

Neben ethischen Bedenken gibt es auch Hinweise darauf, dass über Plattformen der Holding gefälschte Markenprodukte verkauft wurden. In den USA führte dies zu einem Verbot. Außerdem wurde mit der Pinduoduo App eine Zero-Day-Lücke im Android-Betriebssystem ausgenutzt, die es dem Unternehmen ermöglichte, ihre Kunden bewusst auszuspionieren und sogar Malware auf den Smartphones zu installieren. Und auch bei Temu gibt es einige Indizien dafür, dass das Unternehmen einfach so weiter macht.

Damit Temu in den USA zugelassen ist, hat die PDD Holding in Boston einen Firmensitz gegründet. Das Gebäude sieht dabei jedoch eher wie ein Wohnhaus oder eine Briefkastenfirma aus. Rechtlich war dies offensichtlich dennoch ausreichend.

Geld verdienen mit Temu?

Das Prinzip, wie man mit Temu angeblich Geld verdienen kann, erinnert Torben an einige dazu passende Kurse von Persönlichkeiten wie Andrew Tate. Diese hat er in der Vergangenheit auch getestet, sagt aber, dass diese tatsächlich transparenter waren.

Bei Temu versucht das Unternehmen all das zu verschleiern. Bei Temu findet man haufenweise bunte Pop-Ups, Minispiele und Glücksräder. Die Gamification und das Affiliate-Modell bei Temu sind auf einem komplett anderen Level. Das Affiliate-Programm wird damit beworben, dass man bis zu 150.000 US-Dollar im Monat verdienen kann. Es wird eine Grafik eingeblendet, die zeigen soll, wie verschiedene User mehrere hundert Dollar über Paypal ausgezahlt bekommen. Die Echtheit dieser Grafik kann man selbstverständlich anzweifeln.

Pro geworbenen Nutzer zahlt Temu angeblich 20% des Einkaufswerts an den Werber. Außerdem soll man 5 Dollar allein dafür erhalten, dass neue Nutzer sich die App herunterladen. Torben wollte das Affiliate-Programm daher mal genauer testen. Leider war dies zum Zeitpunkt des Selbstexperiments jedoch nicht möglich. Denn das Programm ist aktuell nur in den USA und England aktiv.

Doch das Affiliate-Programm soll nicht die einzige Methode sein, um Geld verdienen zu können. Innerhalb der App gibt es ein internes Referral-System. Und laut einiger Beiträge in den sozialen Netzwerken, soll dies extrem gut funktionieren. Auf TikTok gibt es einige Nutzer, die Ihren gesamten Account rund um das Referral-System aufgebaut haben und ständig ihre Belohnungen von Temu zeigen.

Diese Videos sollen beweisen, wie Nutzer durch die Belohnungen völlig kostenlos riesige Lieferungen erhalten. Ein Nutzer präsentiert in einem Video, wie er angeblich ganze 10 Monitore kostenlos erhalten hat. Diese Videos haben mehrere tausend Kommentare, in denen oftmals nur die eigenen Referral-Codes genannt werden. Mit diesen Codes soll man anscheinend Gutscheine oder Guthaben erhalten können. Aber auch von kostenlosen Produkten ist die Rede.

Gibt man einen dieser Codes in der Suchleiste bei Temu ein, startet man oftmals ein Minispiel, für welches man Belohnungen erhält, wenn man es abschließt. Dies verschleiert dabei, dass es sich lediglich um ein Referral-Programm handelt. Gerade bei der jungen Zielgruppe kommen diese Codes jedoch gut an und das Versprechen auf Geld tut sein Übriges.

Torben hat auch diese Codes getestet und hatte “unfassbares Glück”. Er musste aus drei Karten auswählen und konnte auf drei verschiedenen Smartphones, über drei verschiedene Nummern, jedes Mal den Hauptgewinn finden. Da könnte man ja fast vermuten, dass das Unternehmen genau das gewollt hat. Der Hauptgewinn besteht dabei aus zwei kostenlosen Produkten, die Torben aus einer Liste auswählen konnte.

Nachdem er ein Produkt ausgewählt hat, musste er seine Adresse eingeben und bestätigen. An dieser Stelle weist er darauf hin, dass das Unternehmen nun Name, Telefonnummer, E-Mail-Adresse und Anschrift besitzt. Noch bevor er überhaupt eine Bestellung aufgegeben oder finalisiert hat.

Damit die Nutzer aber gar nicht darüber nachdenken, gibt es direkt im Anschluss den nächsten Gutschein. 30 Euro Rabatt auf Bestellungen über 100 Euro. Dieser Rabatt erhöhte sich später sogar auf 70 Euro und, scheinbar nur für das Starten eines Minispiels, hat Torben weitere 6 Euro und die erste Belohnung geschenkt bekommen. Um die Belohnungen zu erhalten, muss er auch die anderen Belohnungen des Minigames erspielen.

Bei diesem Minispiel musste Torben virtuelle Felder bewässern und Truhen öffnen. Nach einer Stunde hatte Torben fast alle Belohnungen freigeschaltet, doch dann ging ihm das virtuelle Wasser aus. Um also die letzte Belohnung zu erhalten und die investierte Zeit nicht zu verlieren, hatte er die Möglichkeit, weiteres virtuelles Wasser zu erhalten.

Um zusätzliches Wasser zu erhalten, kann Torben neue Nutzer zu Temu locken, neue oder bestehende Nutzer zu diesem Minispiel einladen, eine Bestellung aufgeben oder für mindestens 30 Sekunden durch die Temu App stöbern.

Für sein Experiment hat Torben seine Reichweite genutzt und den Einladungscode mit seinen Zuschauern geteilt. Interessanterweise ist Torbens Community dank seiner Videos zum Großteil sensibilisiert und hat direkt die Echtheit der Nachricht angezweifelt. Dennoch gab es zumindest 23 Leute, die seiner Einladung gefolgt sind und dafür sorgten, dass das letzte digitale Beet aus dem Minispiel zu 54% bewässert war. Dieses letzte Beet ist alles was fehlt, damit Torben die letzte Belohnung aus dem Minispiel erhält und alle vorher freigeschalteten Belohnungen erhalten kann.

Für das Gießen bekommt Torben jedoch nur noch 0.05% Fortschritt. Für neugeworbene Nutzer erhält er 200 Milliliter Wasser. Einmal gießen entspricht 10 Milliliter. Somit kann er pro neuem Nutzer zwanzig mal gießen, was jedoch lediglich einem Prozent Fortschritt entspricht. Sollte sich der Fortschritt also nicht noch weiter verringern, benötigt Torben 46 weitere Personen, um das letzte Beet fertig machen zu können.

Somit hätte er dann insgesamt 69 neue Nutzer geworben, um eine höchstwahrscheinlich gefälschte Nintendo Switch zu erhalten, angebliche Lenovo Kopfhörer und 2 Coupons im Wert von 30 und 40 Euro für Bestellungen über jeweils 100 und 160 Euro.

Torben hat einen anderen Content-Creator gefragt, der Temu von Anfang an genutzt hat und auch dieses Affiliate- und Referral-System kennt. Laut dem Creator konnte man zu Beginn 4 Leute einladen und hat 40 Euro als Belohnung erhalten. Diese Methode konnte immer wieder wiederholt werden. Weil das Temu scheinbar zu teuer wurde, hat man die Belohnung verringert und die Anzahl der Leute, die geworben werden mussten erhöht. Zum Schluss mussten für 20 Euro Belohnung, 10 bis 15 Leute eingeladen werden. Dies hat sich für die Nutzer nicht mehr rentiert, weshalb diese Methode nicht mehr genutzt und final von Temu entfernt wurde. Bei den anderen Spielen sieht es ähnlich aus. Genauso wie bei Free-to-Play-Games starten die Spiele einfach und der Fortschritt geht rasant, doch je länger man spielt, beziehungsweise je eher man an das Endziel kommt, desto schwieriger und zeitintensiver wird es. Der Fortschritt entspricht nur noch einem winzigen Bruchteil dessen, wie man gestartet ist.

Wie Torben also feststellt, wurde das Affiliate- und Referral-Programm immer weiter heruntergestuft. Das Unternehmen hinter Temu wollte anfangs also höchstwahrscheinlich einen Hype kreieren und war bereit, Geld zu verlieren, um auf lange Sicht doch zu profitieren. Temu und die PDD Holding sind jedenfalls erfolgreich, wie man anhand einer Super Bowl-Werbung in den USA sehen konnte. 30 Sekunden Werbung bei Amerikas größtem Sportevent des Jahres kosten rund 7 Millionen US-Dollar.

Die Qualität der Produkte und Lieferungen

Die Bestellungen wurden tatsächlich geliefert. Und das sogar sehr schnell. Torbens initiale Bestellung erfolgte an einem Freitag und bereits am darauffolgenden Mittwoch, also gerade einmal fünf Tage später, kamen die Sachen an. In der Sendungsverfolgung sieht man auch, dass die Lieferungen durch den Zoll gegangen sind und anstandslos weitergeschickt wurden. Alle bestellten Artikel kamen in einer großen orangen Temu-Tüte bei Torben an.

Zwei der drei Verpackungen, die Torben erhielt, waren “sauber”. Es gab also keine offensichtlichen Beschädigungen oder sonstiges zu beanstanden. Bei einer Verpackung ist jedoch eine unbekannte gelbe Flüssigkeit ausgelaufen.

Torben hat unter anderem In-Ear-Kopfhörer bestellt, die denen von Apple recht ähnlich sehen. Die Verpackung öffnete sich nicht so leicht, wie er das bei Apple gewohnt ist, auch all das Plastik, in das das ganze quasi eingeschweißt war, störte ihn. Die Tonqualität empfand er als mittelmäßig und vergab 2,5 von 5 Sternen. Er hat jedoch auch nur etwa 4 Euro dafür bezahlt und findet zumindest “cool”, dass das Ladecase der Kopfhörer mit einem Lightning-Anschluss von Apple ausgestattet ist.

Torben kann zumindest sagen, dass alle bestellten Artikel angekommen sind. Es gibt jedoch zahlreiche Meldungen und Beschwerden im Internet, dass dies nicht immer der Fall ist. Auch Probleme mit doppelter Abbuchung oder Fehler im Bestellprozess und anschließende Rückerstattung sind scheinbar keine Seltenheit. Scheinbar passiert dies sogar so häufig, dass Temu eine eigene Hilfeseite nur für diese Problematik angelegt hat, um Nutzern das weitere Vorgehen zu erklären.

Fazit

Temu könnte für diejenigen attraktiv sein, die nach extrem günstigen Preisen und einer breiten Produktpalette suchen. Allerdings sollten potenzielle Nutzer die ethischen Bedenken bezüglich der Arbeitsbedingungen und des Umgangs mit gefälschten Produkten nicht außer Acht lassen.

Nach genauer Recherche stellt sich heraus, dass die Versprechen des Geldverdienens stark von der Realität abweichen. Während anfänglich hohe Summen und einfache Bedingungen gelockt haben, wurden diese im Laufe der Zeit immer weiter eingeschränkt. Zwar existieren Spiele innerhalb der App, die Belohnungen und Rabatte versprechen, doch die Bedingungen, um diese zu erreichen, sind hart und werden kontinuierlich erschwert.

Es scheint vor allem ein Lockmittel zu sein, das weniger Wirklichkeit als vielmehr Wunschdenken widerspiegelt. Während die App eine interessante Erfahrung bieten kann, sollten die Nutzer vorsichtig sein, insbesondere wenn es um vermeintlich einfache Möglichkeiten geht, Geld zu verdienen.

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